Donnerstag, 14. August 2014

Wie ein Film endet, Teil 2

Head out to the middle of nowhere



Willkommen zum zweiten Teil meines Specials über die Art und Weise, wie ein Film endet. Nach den fröhlichen Happy-Ends geht es heute um etwas komplexere Enden, die viele Zuschauer ratlos zurücklassen können. Meiner Meinung nach jedoch sind sie häufig die besten Enden, denn dem Zuschauer wird keine Nachricht untergejubelt, mit der er möglicherweise gar nicht einverstanden wäre, sondern liefert viele Möglichkeiten, die sich der Zuschauer dann selbst zurecht gestalten kann. Schafft er / sie doch noch, an sein Ziel zu kommen? Wer weiß es schon? Doch möglich ist es auf jeden Fall.
SPOILER WERDEN FOLGEN!!! Bitte auch immer schön auf die Links klicken, da erfahrt ihr noch mehr über die hier vorgestellten Filme.

The Wrestler (Darren Aronofksy, 2008)
Before Sunset (Richard Linklater, 2004)
25 Stunden (The 25th Hour, Spike Lee, 2002)
Lost in Translation (Sofia Coppola, 2003)
Good Will Hunting (Gus van Sant, 1997)


Teil 2: Das offene Ende

Das beste Beispiel für ein Ende dieser Art liefert Spike Lee's 25 Stunden (25th Hour). Der Zuschauer nimmt am letzten Tag von Montgomary Brogan (Edward Norton) teil. Er hat mit einer großen Menge Drogen gehandelt und wandert deshalb für einige Jahre ins Gefängnis. Um seinen letzten Tag gebührend zu feiern, trifft er sich noch einmal mit seinen Freunden und macht die Nacht durch, bevor er sich am nächsten Morgen im Morgengrauen mit seinem Vater auf den Weg Richtung Gefängnis macht. Das bemerkenswerte an diesem Film ist es nun, dass eine wunderschöne Montage gezeigt wird, in der Montys Vater mit ihm gar nicht ins Gefängnis fährt, sondern in irgendein verschlafenes Nest im Süden der USA, bloß raus aus New York. Unter neuer Identität beginnt er ein neues Leben, seine Freundin Natural (Rosario Dawson) kommt ihn irgendwann besuchen und zusammen gründen sie eine neue Familie. Doch dann sitzt Monty immer noch im Wagen in New York. Welchen Weg wird er einschlagen? Diese Frage bleibt offen und der Zuschauer bleibt im Ungewissen. Die Möglichkeit eines Neuanfangs besteht...

Ein anderes Ende dieser Art gibt es beim zweiten und besten Teil der "Before"-Trilogie, Before Sunset, das mich erst auf das Schreiben dieses Specials gebracht hat. Jesse (Ethan Hawke) und Celine (Julie Delpy) treffen sich nach neun Jahren wieder in Paris und verbringen einen Nachmittag miteinander, der in Celines Wohnung endet. Sie singt ihm ein Lied auf der Gitarre, während Jesse grinsend auf der Couch sitzt. Sie sagt: "Baby, you are going to miss your plane." und er antwortet: "I know." Perfekt. So wie wir es uns vorgestellt haben. Sie fallen sich zum Glück nicht darauf in die Arme, sondern es bleibt offen. Man kann sich zwar denken was passieren kann, aber der Zuschauer wird nicht damit erschlagen, sie liegen nicht küssend übereinander, oder so etwas. Ich habe den Film mit einem Grinsen verlassen.

Ganz anders sieht es beim modernen Klassiker Lost in Translation von Sofia Coppola aus. Bob (Bill Murray), ein alternder, ehemaliger Filmstar, der schon lange keinen Hit mehr hatte, dreht einen Whiskey-Werbespot in Tokio. In der Hotelbar trifft er auf Charlotte (Scarlett Johansson), die junge Frau eines Fotografen. Sie hat nicht viel zu tun, Uni-Abschluss zwar in der Tasche, aber sie weiß selbst nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. So treffen sich zwei gelangweilte Seelen und gemeinsam verbringen sie ihre Zeit in Tokios Innenstadt. Sie genießen ihre gemeinsamen Stunden (bei einem genialen Soundtrack von My Bloody Valentine-Mastermind Kevin Shields), eine rein platonische Liebe, aber dann ist ihre Zeit auch vorbei, Bob muss wieder zurück in die Staaten. Der tränenüberstömten Charlotte sagt er etwas ins Ohr - eine der berühmtesten Szenen der letzten Jahre - und dann ist er weg, der Film ist vorbei. Ein in gewisser Weise tragisches Ende, denn man erfährt, dass beide unglücklich sind, aber zusammen sein können sie nicht. Aber was hat er ihr gesagt? Es bleibt unbeantwortet, vielleicht deutet etwas ja auf eine gemeinsame Zukunft hin...

Wer es noch eine Ecke tragischer haben will, der schaue sich The Wrestler vom Genie Darren Aronofsky an. Der Zuschauer verfolgt das Leben des gealterten Wrestlers Randy "The Ram" Robinson (Mickey Rourke) und seinen Schwierigkeiten, die seinen Alltag bestimmen. Er hat zum einen nicht mehr die Kraft, seine Show wie früher abzuliefern, ist zum anderen aber immer noch im Zirkus Wrestling gefangen, er tourt zum Beispiel mit Nachwuchsathleten durch diverse Turnhallen quer durch die USA, pumpt sich dabei mit Anabolika voll, hat aber auch eine Tochter (Evan Rachel Wood) zu versorgen. Die will, dass er endlich mit seinem Leben als Wrestler abschließt, dasselbe sagt ihm auch eine befreundetet Stripperin (Marisa Tomei), mit der er gern ein neues Leben beginnen will. Doch holen ihn alte Gewohnheiten ein und so endet der Film auf seinem Höhepunkt (bei dem man als Zuschauer dermaßen schluchzen muss, macht euch auf etwas gefasst): Für ein Comeback soll Randy noch einmal die alten Stunts ausführen und in einer letzten Ansprache betont er, dass es für ihn kein anderes Leben geben kann, als das im Ring. Er springt von der Begrenzung ab, der Zuschauer weiß, dass er das kaum überleben kann und zack, der Film ist zu Ende. Extrem tragisch und dabei so passend zur Person Mickey Rourke, eine der besten Besetzungen der letzten Jahre, die Rolle passt einfach perfekt. Der Film hat ein paar Macken, aber allein für dieses Ende lohnt es sich ihn zu gucken. Was passiert danach mit ihm? Wieder einmal weiß es der Zuschauer nicht, aber gut ausgehen kann es kaum.

Zu guter letzt will ich über einen meiner absoluten Lieblingsfilme schreiben: Good Will Hunting, der mir sofort in den Sinn kam, als ich die Nachricht gelesen habe, dass Robin Williams gestorben ist. Hier ist er in einer seiner besten Rollen zu sehen, als Psychiater Sean Maguire, für dessen Darstellung er verdient einen Oscar als bester männlicher Darsteller in einer Nebenrolle gewonnen hat. Er trifft sich mit Will (Matt Damon), der nach einer Schlägerei wegen Körperverletzung in Jugendhaft ist. Ein Mathematikprofessor (Stellan Skarsgard) hilft Will jedoch, da er das mathematische Talent des Jungen entdeckt hat. Als Bedingung für seine Freiheit muss Will nun wöchentlich zum Therapeuten und für den Professor Aufgaben erledigen. Will hat allerdings eine extrem schwere Kindheit hinter sich und er frisst alle Emotionen in sich hinein. Erst zum Schluss ist er in der Lage, dank der Hilfe von Sean, diese Erlebnisse hinter sich zu lassen und macht sich in der letzten Szene auf den Weg zu seinem Mädchen Skylar (Minnie Driver), die er zwischenzeitlich verlassen hat. Kann er mit seiner Vergangenheit nun abschließen, er hat sich schließlich zum ersten mal auf den Weg aus Boston begeben. Kann er sein gegebenes Talent endlich umsetzen und zum ersten mal in seinem Leben glücklich werden? Es wäre ihm zu wünschen... aber zum Glück kann sich der Zuschauer wieder einmal selbst Gedanken darüber machen. Ein schönes Ende eines tollen Filmes, dem ich jeden nur ans Herz legen kann. Williams spielt überragend und sein Verlust wiegt dadurch noch gravierender, vielleicht hätte er noch einmal solch eine Performance abliefern können. Man wird ihn vermissen.

Das war der zweite Teil, ich melde mich demnächst mit einem dritten Teil zurück. Danke fürs lesen, euer Mattes.

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