Freitag, 3. Oktober 2014

Gone Girl - Das perfekte Opfer

Haben Sie ihre Frau umgebracht?



David Fincher, USA 2014 - 9.5/10

Nick Dunne (Ben Affleck) erhält eines Morgens in seiner Bar "The Bar" (Knaller-Name) einen Anruf seines Nachbarn, seine Tür stehe offen. Also rast er schnell zurück und findet das Haus leer wieder, sein Couchtisch ist zerstört und von seiner Frau Amy (Rosamund Pike) fehlt jede Spur. Natürlich ruft er sofort die Polizei, sie findet eine Blutspur in der Küche und tags drauf beginnt die große Suchaktion "findamazingamy.com". In Rückblenden wird vom Verhältnis der beiden gezeigt und man beginnt zu erkennen, dass die Ehe zwischen den beiden gewaltige Risse aufzeigt.

Zu Beginn schien noch alles perfekt zu laufen: Die beiden lernen sich auf einer Party kennen, beim ersten Date küssen sie sich schon. Darauf läuft eigentlich alles wie am Schnürchen: Sie ziehen zusammen, heiraten, aber als sie durch die Rezession beide ihren Job verlieren, kommt es zu ersten Problemen. Nicks Mutter, zu Hause in Missouri, liegt im Sterben, also ziehen die beiden zu ihr und sind seitdem dort geblieben. Amy hat mehrere Abschlüsse in der Tasche aber will dann doch zu Hause bleiben, während ihr Mann von ihrem Aktienfond eine Bar betreibt. Und dann eines Tages ist sie weg und er wird verdächtigt. Viele Indizien weisen auf Nicks Schuld hin, die er aber immer abstreitet...

Fincher hat ein manipulatives Meisterwerk geschaffen, das uns Zuschauern den Spiegel vorhält. Wem glauben wir eigentlich? Hat Nick seine Frau umgebracht? Die Medien im Film scheinen immer ein schnelles Urteil gefunden zu haben, eine "Breaking News" folgt auf die nächste, Kamerawagen haben Nicks Haus belagert. Weil Amy eine Berühmtheit in Amerika ist - auf ihr beruht der Charakter eines beliebten Kinderbuches - kommen wildfremde Menschen, um nach ihr zu suchen, bei einem beliebigen anderen Opfer wäre mit so einer Beteiligung nicht zu rechnen. Jeder wird von der öffentlichen Meinung geleitet und viele Fragen bleiben offen und wie ihr im Bild oben sehen könnt: So richtig scheint Nick gar nicht so sehr in Sorge um seine Frau zu sein...

Technisch lässt sich wie immer bei Fincher nichts zu kritisieren finden. Wie bereits bei "Verblendung" ist hier alles mit modernster Technik gefilmt worden und bestimmt wurden wie im Vorgänger Computertechnik eingesetzt, die man absolut nicht bemerkt haben wird (Dort war es Schnee, der gar nicht existierte). Ich werde nichts über die weitere Handlung verraten, aber lasst euch nicht von der Beliebigkeit des Trailers leiten, der Beginn des Films ist genauso: Diese Szenen hat mal schon dutzende male gesehen. Doch dann kommt eine unfassbare Wendung, bei der der gesamte Kinosaal schockiert reagiert hat, so gut war er.

Rosamund Pike spielt unglaublich gut in ihrer Rolle als Amy Dunne. Sie wird zu hundert Prozent für die beste Hauptrolle bei den kommenden Oscars nominiert werden. Ihre Rolle hat sehr viel mehr Facetten, als man vorher gedacht hat, mehr sage ich dazu nicht. Ben Affleck spielt routiniert, aber es ist etwas mit seiner Art, dass ich ihn nicht ausstehen kann. Ich mag zwar Good Will Hunting (diesen SEHR) und Argo, aber er geht mir immer auf die Nerven. Leider ist es hier nicht anders. Einer der überbewertesten Schauspieler dieser Generation. Ganz kurz zu einer überraschenden Nebenrolle: Neil Patrick Harris aus "How I Met Your Mother" spielt einen ehemaligen Geliebten Amys und dies sehr gut und nuanciert, was ich ihm nicht zugetraut hätte, allgemein keine ernste Rollen. Und diese hier ist wirklich sehenswert geworden, genauso wie das Top-Model Emily Ratajkowski in einer kleinen, aber feinen Rolle.

Teilweise sind die Nebendarsteller zu wenig im Fokus, so bleibt die Rolle von Amys Eltern etwas zu klischeehaft - wieso ist ihre Mutter immer so angepisst? Die Musik ist wieder einmal sehr atmosphärisch geworden und stimmungsvoll, Atticus Ross und Trent "Nine Inch Nails" Reznor sind wieder einmal dafür verantwortlich, doch manche Stücke klingen wie einfallslose Remixe aus "Verblendung" und "The Social Network", da hätte ich mir mehr Varianz gewünscht.

Der beste Thriller des Jahres bislang. Wer einen extrem spannenden Film sehen möchte ist hier genau richtig. Eine sensationelle Performance von Pike, die man noch mehr genießt, wenn man den beliebigen Beginn übersteht, danach - vor allem im letzten Drittel - entwickelt der Film einen unglaublichen Sog, der einen in manchen Szenen mit heruntergefallener Kinnlade zurücklassen wird. Dies ist nicht Finchers bester Film (das ist immer noch "Se7en") aber bislang einer der fünf besten des Jahres.

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