Samstag, 5. Juli 2014

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

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X-Men: Days of Future Past, Brian Singer USA, 2014 - 7/10

Wer noch nie einen X-Men Film gesehen haben sollte, wird hier absolut nicht enttäuscht werden. Die Actionszenen sind erstklassig, die Tricks verblüffend wie immer und auch das Tempo stimmt. Doch vergeudet der Film so viele goldene Möglichkeiten, dass es schon weh tut. Was ich damit meine und wieso es so einen großen Einfluss auf die Wertung hat, werdet ihr in den kommenden Absätzen erfahren.

Für diejenigen, die bislang noch nicht vertraut mit dem X-Men Universum sind, hier eine kleine Zusammenfassung. Zwischen 2000 und 2006 gab es eine reguläre Filmtrilogie, bei der es ganz gewöhnlich um die X-Men ging, also zb Magneto (Ian McKallen), Wolverine (Hugh Jackman) und Professor X (Patrick Stewart). Der letzte Teil war allerdings ziemlich schlecht, da aber immer noch sehr viel Kohle mit der Franchise gemachte wurde, kam es zu zwei Spin-Offs über Wolverine und letztlich ein Prequel (also Vorgeschichte) zur regulären Trilogie namens "X-Men: Erste Entscheidung" (First Class) von 2011.

Dieser Film ist entscheidend, denn er hat die bekannten Figuren der Trilogie mit jüngeren Schauspielern ersetzt und die Handlung wurde auch mehr als 30 Jahre vorverlegt, ins Jahr 1962. Charles macht gerade seinen Abschluss an der Uni und kann auch noch laufen, Magneto ist auf Rachetour, noch ohne Sturzhelm und auch Raven aka. Mystique sieht noch "ganz harmlos" aus. Sie treffen zum ersten mal auf junge Mutanten und gemeinsam besiegen sie einen Schurken, der nicht mehr so viel mit dem aktuellen Fall zu tun hat. Nur so viel: In der letzten Szene wird Charles X. Xavier von einer Kugel in den Rücken getroffen, woran Magneto mitschuld trug. Von nun an ist er querschnittsgelähmt und an den Rollstuhlt gefesselt.

Eine ganz schön komplizierte Hinführung zum eigentlichen Film, der leider auch zu komplex geraten ist. Ich habe nichts gegen anspruchsvolle Filme, ganz im Gegenteil, doch wäre hier weniger mehr gewesen. Es gibt eine Zeitreisegeschichte mit dem üblichen "Veränder bloß nichts, das wird Auswirkungen haben"-Dilemma, welches man seit "Zurück in die Zukuft" kennt. Der Zuschauer befindet sich in einer apokalyptischen Welt, die unsere Erde in naher Zukunft dastellen soll. Wieder einmal Apokalypse, ich kann es nicht mehr sehen. Kreativ ist anders.

Aber weiter im Text: Die alten Recken aus der originalen X-Men Trilogie finden wieder einmal zusammen, Magneto und Professor X reunited once more. Der Effekt davon lässt schon etwas sehr nach, denn das haben sie schon im sehr guten zweiten Teil gemacht. Insgesamt ist eines der größten Probleme des Films, dass man so viele Szenen so ähnlich schon einmal vorher gesehen hat. Auch dass es tötende Roboter sind, lässt mich total kalt. Dass sie zum Schluss wie in der Schlussszene von "Matrix" ins Hauptquartier einbrechen ist so ein abgesdroschenes Zitat, dass sich der Filmkenner gegen seine Stirn schlägt. Diese Roboter haben die Fähigkeit Mystiques sich in jede erdenkliche Form zu verwandeln und damit sind sie unbesiegbar. Also wird Wolverine in die Vergangenheit geschickt, um den Bau dieser Maschinen zu stoppen (und auch, um die Handlung aus "Erste Entscheidung" weiterzuführen).

Wolverine wurde ausgewählt, um diesen Job zu erledigen, denn er ist ja im Grunde unkaputtbar und kann die Strapazen überstehen. Sein Körper bleibt in der Jetzt-Zeit während sein Geist wieder in den Sechzigern ist. Ich muss ihn wohl von nun an "Neo" nennen, denn genauso wie in "Matrix" sind sein Körper und Geist getrennt. Da wurde dreist das Material geklaut. Es ist aber auch clever von den Filmemachern Wolverine ausgewählt zu haben, denn er ist klar der beliebteste Mutant (was der Erfolg seiner beiden Spin-Offs beweist).

In der Vergangenheit angekommen treffen wir auf die Mutanten aus "Erste Entscheidung" unter ihnen Magneto (Michael Fassbender) und Mystique (Jennifer Lawrence). Die beiden Schauspieler werden sich mit Sicherheit geärgert haben einen Vertrag über mehrere Folgen in der Franchise unteschrieben zu haben. Denn nach ihren Oscar-Erfolgen in den letzten Jahren (12 Years a Slave, Silver Linings Playbook, American Hustle), wären sie mit Sicherheit in hochklassigeren Filmen eher zu Hause gewesen, als bei dieser Comic Franchise. Vor allem Fassbender spielt die ganze Zeit - ob bewusst ins Drehbuch geschrieben oder unbewusst aus eigenem Antrieb heraus - mit solch einer Null-Bock-Visage, dass man sich fragt, wo sein Problem liegt, denn gut bezahlt wird er mit Sicherheit.

Die erneute Einführung von Professor X (James McAvoy) ist ausgezeichnet gelungen. Er hat sich "gehen lassen" über die Jahre, kann mit seinen neu gewonnenen Fähigkeiten nicht umgehen, die "Stimmen in seinem Kopf" lassen ihn nicht zur Ruhe kommen. Mithilfe eines Serums von Beast / Hank (Nicholas Hoult), werden seine Fähigkeiten abgewürgt, mit einem Nebeneffekt, der hier allerdings noch geheim bleiben soll. Er zeigt sich extrem störrig und erinnert in seiner Art und seiner Erscheinung an den "Dude" aus Big Lebowski der Coen Brüder. Ich habe mich in diesen Szenen köstlich amüsiert, hier hat der Film seine besten Momente.

Die kommenden Schlachten in beiden Zeitebenen sind ausgezeichnet choreographiert und wissen zu gefallen, doch sind sie so beliebig geraten. Wie am Anfang gesagt: Wenn man ohne Vorwissen in den Film geht, kann man begeistert das Kino verlassen. Doch denkt man etwas genauer nach, wird der schöne Schein schnell ärgerlich. Die "alte Truppe" um Stewart, McKellen und auch Halle Barry hat nur eine Statistenrolle. Außer zu kämpfen, haben sie nicht viel zu tun. Das liegt auch am Drehbuch aber als Zuschauer ist es sehr ärgerlich zu beobachten, dass solch ein weltklasse Cast so falsch eingesetzt wird. Auch die jüngeren Mutanten aus der apokalyptischen Jetzt-Zeit haben kaum Dialoge, ein Feuer-Mutant hat gar keine Sprechrolle, sondern kämpft für zwei Minuten, dann ist er wieder weg.

Es ist kein schlechter Film, nur man hätte mit diesem Cast so viel mehr mit machen können. Insgesamt war es eine große Enttäuschung und wenn ein Film nur darauf baut, dass alte Bekannte wiederkommen, dann ist es schlampiges Filmemachen, das kritisiert werden muss. Damit kann man Geld verdienen, aber der Zuschauer wird an vielen Stellen für dumm gehalten, was extrem ärgerlich ist.


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