Mittwoch, 2. April 2014

her

I feel like I can be anything with you


Spike Jonze, 2013 USA - 9.75/10

Ein Mann verliebt sich in sein Computer Betriebssystem. Das ist im Grunde die Story dieses Films, der vierte von Regisseur Spike Jonze und man muss mit dieser Prämisse erst einmal zurecht kommen und akzeptieren. Denn das ist das Ziel des Films: Man muss über die anfängliche Absurdität der ganzen Situation hinwegsehen, um ihn zu genießen und oh boy, habe ich diesen Film genossen. Er ist einer der besten, den ich seit langem gesehen habe und er liefert sich mit "12 Years A Slave" einen Kampf darum, welcher Film der beste 2013 war (aktualisierte Liste wird in den nächsten Tagen folgen). Beiden hätte ich gut und gerne die Höchstwertung verleihen können. Da ich sie aber erst einmal jeweils gesehen habe, mache ich das noch nicht.

Theodore Twombly (Joaquin Phoenix) ist ein einsamer Mensch. Er lebt seit fast einem Jahr getrennt von seiner Frau, weigert sich aber bislang die Scheidungspapiere zu unterschreiben, denn er kann noch nicht mit seiner Vergangenheit abschließen. Desillusioniert streift er nach getaner Arbeit bei der Firma "your-handwritten-letter.com" (super Idee!!, was es aber genau damit auf sich hat, will ich nicht weiter verraten) durch das futuristische Los Angeles und wird auf ein neues Betriebssystem aufmerksam, dass er sich kurzerhand zulegt. Nach schneller Installation meldet sich dann Samantha (gesprochen von Scarlett Johannson) mit einem schüchternen "Hey" bei ihm. Kommunizieren kann er mit ihr durch einen kleinen Stöpsel im Ohr und der Kamera seines Smartphones. Nach dem Kennenlernen gewinnt Theo immer mehr Vertrauen zu diesem fremden Wesen und auch Samantha wird immer neugieriger (aber sie kann auch auf alle Daten von ihm zugreifen) und will immer neue Dinge in der Welt sehen. So kommen die beiden sich näher und verlieben sich ineinander.

Aber ist das die wahre Liebe? Dies ist die zentrale Frage, die in diesem sensationellen Film gestellt wird. Was macht die Liebe aus? Muss man im direkten Kontakt zu einer Person stehen, oder muss sie sogar einen Körper haben? Und woher kommt "Samantha" überhaupt? Kann man sie mit einem Menschen vergleichen??? Wenn ihr jetzt denkt: "Ach komm, was für ein Quatsch, sowas kann nie passieren!", dann geht es euch so wie mir. Das dachte ich auch, bevor ich den Film gesehen habe. Wie meine Meinung danach aussieht, werde ich natürlich nicht preisgeben, aber ich wurde sehr zum Nachdenken angeregt. "her" schafft es, unsere heutige Kultur und insbesondere die Kultur der Medien und des Internets sehr geschickt zu hinterfragen und ist in gewisser Weise auch eine sehr feine Satire auf die heutigen elektronischen Trends. Die Zukunft, die dargestellt wird, ist nicht weit weg (fliegende Autos oder so etwas gibt es nicht) und wird für viele Anhänger zum Beispiel des Apple-Booms ein feuchter Traum sein, so "schick" sieht alles aus. Interessant ist zu wissen, dass die meisten Szenen im heutigen Shanghai gedreht wurden, welches das Los Angeles der Zukunft darstellt.

Joaquin Phoenix spielt in seiner ersten Rolle nach dem Kraftakt "The Master" (eine Kritik wird dazu noch folgen, ich muss ihn mir noch einmal ansehen), quasi das genaue Gegenteil der dort dargestellten Figur. In jeder Szene schwingt eine unglaublich tiefe Traurigkeit und Melancholie mit und man kann Theodore nur gern haben. Ich hätte mir eine Oscar Nominierung für Phoenix gewünscht, doch in 2013 gab es viel zu viele sehr gute Leistungen, mindestens zehn Schauspieler standen in der engeren Auswahl. Ebenso weiß Scarlett Johannson zu überzeugen, auch wenn wir sie gar nicht sehen. Allein die Szene, in der die Leinwand komplett in schwarz gehüllt ist und nur noch ihre und Theodores Stimme zu hören sind, zeigt, wie gut sie ihre Rolle meistert, sie ist sowohl von Neugier geprägt, als auch unglaublich betörend. Amy Adams dient als Theos Nachbarin als Katalysator, der ein Gleichgewicht zwischen Theos Enthusiasmus und Catherines (Theos Ex-Frau, gespielt von Rooney Mara) Zweifel darstellt. Sie hat nicht viele Szenen, aber löst sie alle mit Bravour, kein Wunder, ist sie doch eine der besten Darstellerinnen, die Hollywood zur Zeit hat, fünf Oscar Nominierungen in acht Jahren sprechen für sich selbst.

Der wahre "Held" des Films ist jedoch der Regisseur und Drehbuchautor Spike Jonze, der hier zum ersten mal allein für Buch und Regie verantwortlich ist (bei seinen vorherigen Projekten war meistens Charlie Kaufmann mit von der Partie). Sein Ideenreichtum ist wieder einmal fast überbordend, doch er hält sich diesmal auf einem für den Zuschauer annehmbaren Niveau und wurde mit seinem besten Film belohnt. Denn die Ideen, die er hier versammelt hat münden in nichts anderem als eine der großen Liebesgeschichten des Kinos des 21. Jahrhunderts und eigentlich auch noch viel mehr als dieses. Fast jeder kann sich in der Figur Theos wiederfinden und gerade deshalb ist ihm ein wichtiger Kommentar zur Rolle des Menschen im allgemeinen gelungen, denn es ist die Einsamkeit, die ein jeden treffen kann und aus der man letztendlich einen Ausweg findet, sei es auch mit der Hilfe eines Computerprogramms.




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