Freitag, 7. November 2014

Interstellar



Christopher Nolan, USA 2014 - 9.25/10

Die Erde stirbt. Man möchte fast sagen "schon wieder", denn es gab so viele Filme mit Endzeit-Szenarien in letzter Zeit. Dieser hier beginnt nicht anders: Eine dicke Sandschicht befindet sich auf jeglichen Objekt in der Kleinstadt, in der die Handlung einsetzt. Und so 08/15 die Handlung bislang klingt, verzweifelt nicht, denn Nolan hat es wieder geschafft: Ein unfassbar faszinierendes Epos, das uns weit über die Grenzen der Erde hinausbringt.

Neben den Sandstürmen geht jegliche Nahrung auf der Erde ein, letztlich kann nur noch Mais wachsen. Auf solch einer Maisfarm arbeitet der ehemalige Pilot Cooper (Matthew McConaughey). Seine Kinder und sein Schwiegervater leben mit ihm dort, als eine merkwürdige Anomalie im Zimmer seiner Tochter Murph (Mackenzie Foy) erscheint. Bald erkennt er, dass aus den Zeichen auf dem Boden Koordinaten zu entschlüsseln sind, die ihn bis vor einen riesigen, von der Außenwelt abgetrennten, Komplex führt.

Ein paar Überraschungen MUSS ich verraten, also werden jetzt SPOILER folgen. Lesen auf eigene Gefahr, wer total unvorbereitet in den Film gehen möchte, sollte ab jetzt NICHT weiterlesen. Aber wer den Trailer gesehen hat, weiß eigentlich auch schon bescheid: Diese Lagerhalle entpuppt sich als letzter, heimlicher Posten der NASA. Sie haben fieberhaft Daten analysiert und sind auf ein Wurmloch gestoßen, das in eine andere Galaxie führt. Mit Coop als Pilot und anderen Wissenschaftlern wie Amelia (Anne Hathaway), die Tochter vom Boss: Professor Brand (Michael Caine). Ein sprechender, sarkastischer Roboter (der einige erstklassige Sprüche parat hat) ist ebenso mit von der Partie. Gemeinsam fliegen sie los, um einen Ausweg für die Menschen auf der Erde zu finden, vorzugsweise eine zweite Erde.

Die Szenen und Effekte im All sind atemberaubend und können ohne Probleme mit dem überragenden "Gravity" mithalten. Wo der Film von Cuarón auf knackige Action setzte, mit einer geradlinigen Geschichte, so setzt "Interstellar" auf philosophische Auseinandersetzungen über das Leben, physikalische Phänomene und eine riesige Portion Emotionen. Dies ist ohne Frage der emotionalste Film Nolans geworden. Es gab eine Szene, kurz nachdem die Mannschaft ins All gestartet war, die sehr an die Substanz geht. Man hat diese Beklemmung im ganzen Kino bemerken können, es war extrem ruhig geworden im Saal.

Zwar wird der Zuschauer im physikalischen Bereich an die Hand genommen in der Form der Figur des "Cooper", der genauso wie das Publikum neu mit der Raumfahrt konfrontiert wird, aber irgendwann gibt es leider einen Punkt, bei dem der Film ins Abenteuerliche abdriftet und dort auch verweilt, dass man verwirrt den Film verlassen wird. Das letzte Drittel bietet sehr viel Raum für Interpretationen und nach dem ersten mal wird man garantiert mit manchen Entscheidungen des Films nicht einverstanden sein, aber ich denke, dass häufiges Anschauen diesem Film gut tun wird. Manche philosophisch angehauchte Schlussfolgerungen halte ich für nicht stimmig und die Stimmen aus dem Off nerven teilweise. Michael Caine spielt zwar routiniert die weise, väterliche Rolle, aber sein Gedicht, das enorm wichtig zu sein scheint, hat mich gar nicht bewegt, was vielleicht auch an der deutschen Übersetzung liegt (im Original ist es bei ihm sowieso immer besser).

Technisch ist der Film überragend und er wird garantiert wie "Gravity" vor einem Jahr in allen technischen Kategorien (Kamera, Spezialeffekte (dort wird er siegen) und Ton) bei den Oscars nominiert werden und auch gewinnen. Ob es zu Preisen in den "großen" Kategorien kommen wird (Regie, Drehbuch, Hauptdarsteller, Film), da bin ich mir nicht sicher. Er ist vielleicht zu komplex geraten für die Academy, Stanley Kubricks "2001" - der Gold-Standard für intelligente Weltraum-Filme - hat damals, 1968, auch nicht abgeräumt.

Solange der Film jetzt noch in den Kinos läuft, müsst ihr ihn dort sehen. Auf der Leinwand ist es ein Erlebnis, mir wurde fast übel, bei der Geschwindigkeit, mit der die Raumstation rotiert. Welcher Film kann das schon von sich behaupten? Keine Sorge, er wird bewusst nicht in 3D präsentiert, sondern ganz old-school im klassischen Format und das macht auch gar nichts. Denn das Gefühl der unendlichen Weite des Alls (see what I did there?) ist greifbar und da lohnen sich sogar um die zehn Euro Eintritt. Matthew McConaughey bietet fast eine one-man-show als mutiger Held, der alles für seine Familie machen will und gleichzeitig die Zukunft der Menschheit im Sinn hat. Ein Dilemma, das den ganzen Film enorm spannend und intensiv macht.

Wer also einen spektakulären Film über das Ende der Welt und gleichzeitig unbekannte Planeten im weiten Weltall sehen möchte, der ist hier genau richtig. Macht euch auf enorm emotionale Szenen bereit und schaltet einfach euren Kopf für fast drei Stunden ab, man muss kein Physiker-Pro sein (SCIENCE, bitch!) um den Film zu genießen.

PS: Der Song der Überschrift ist von einer meiner Lieblingsbands - Touché Amoré. Wer sie noch nicht kennen sollte, der hole das schleunigst nach. Sensationell.

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