Mittwoch, 1. Oktober 2014

Inside Llewyn Davis



Joel & Ethan Coen, USA 2013 - 9.25/10

Manche Charakteren in Filmen wünscht man das Beste, denn sie wachsen einem so dermaßen ans Herz, dass man mitleidet, wenn ihnen etwas Schlimmes widerfährt. Aber es gibt auch manche Figuren, die alles versauen, obwohl sie unbeschreibliches Talent besitzen. Man will ständig rufen: "NEIN, falsche Entscheidung!" und dies trifft alles hundertprozentig auf die Figur zu, der die Zuschauer den Film über folgen, den Folkmusiker Llewyn Davis (Oscar Isaac). 

Er lebt im New York des Jahres 1961 und wir folgen ihm eine Woche lang. Zu Beginn des Films übernachtet er wie immer auf einer Couch, ein eigenes Haus hat er nicht. Er ist ein Verlierer, mit Folkmusik lässt sich zu dieser Zeit noch kein Geld verdienen, in der letzten Szene des Films tritt Bob Dylan im Gaslight Cafe auf, der Rest ist Geschichte. Llewyn allerdings hat kein Glück. Sein Partner Mike hat sich umgebracht und so bleibt er als Soloact übrig. Wie es in einem Film der Coens üblich ist, schlagen nach dieser Nachricht nur noch härtere Schicksalsschläge auf unseren talentierten Sänger ein.

So erfährt er zum Beispiel, dass er eine Freundin, die ebenso talentierte Folksängerin Jean (Carrey Mulligan), was sie vor deren derzeitigen Freund Jim (Justin Timberlake in einer sensationell lustigen Rolle) geheimhält. Von nun an ist er natürlich nicht mehr bei ihnen erwünscht und muss sich eine neue Übernachtungsmöglichkeit suchen. Bei den Gorfeins - einem älteren befreundeten Ehepaar - findet er Unterschlupf, doch am nächsten Morgen beim Verlassen der Wohnung, entwischt ihm deren Katze. So ist er wieder auf der Straße, diesmal mit animalischer Begleitung, aber so richtig weiß er ja selbst nicht, was er machen soll und wohin es ihn führt.

Unter anderem schläft es ihn zu einer Aufnahme des wunderbaren "Please Mr. Kennedy" mit Jim und der goldenen Stimme Al Cody (Adam Driver) und auch für einen Tag nach Chicago, bei der er einem berühmten Produzenten (F. Murray Abraham) vorsingt. Seine Performance des klassischen Stückes "The Death of Queen Jane" gehört zu den besten Darbietungen eines Liedes, die ich jemals in einem Film bewundern durfte. Doch wiedereinmal gilt: "I don't see any money in it." Glück hat er einfach nicht.

Den Film durchzieht eine einmalige Melancholie. Wie bereits erwähnt, hat Llewyn das Glück verlassen und dazu kommt auch noch, dass er einen viel zu dünnen Mantel trägt, obwohl es verdammt kalt zu sein scheint. In Chicago liegt sogar Schnee. An so vielen Punkten habe ich mir mit der Hand vor die Stirn geschlagen, weil manches wirklich übertrieben scheint. Die Kameraarbeit von Bruno Delbonnel ("Die fabelhafte Welt der Amelié) wurde völlig zurecht für den Oscar nominiert. Insgesamt ist das Sechziger Jahre-Flair perfekt gefasst worden, was sich in den Kostümen und den Locations vor allem widerspiegelt. Allein der Flur bei Jim und Jean ist den Eintritt wert.

Oscar Isaac (den man vorher vor allem als Standard aus "Drive" kennt) ist seit diesem Film zu einem legitimen Star geworden, so wird er zum Beispiel Ende des Jahres die Hauptrolle in J.C. Chandor's "A Most Violent Year", das ihn nur noch bekannter machen dürfte. Meiner Meinung nach hätte er auch für seine Darbietung des Llewyn Davis für den Oscar nominiert werden müssen, aber diese Kategorie platzte fast vor sensationellen Performances. Sein musikalischen Talent allein ist allerdings so immens, dass es schade ist, dass er kaum Anerkennung gefunden hat.

Es ist kein Film, bei dem man pausenlos lachen kann, man fühlt sich betroffen von den Problemen der Charaktere, sie gehen einem sehr ans Herz, allen voran unser Titelheld. Leider wirkt der Film aber an vielen Stellen zu unrhythmisch (obwohl so viel Musik vorkommt, hahahaha) und sprunghaft, eine stringentere Inszenierung hätte Wunder bewirkt. So lassen einen manche Episoden fragend zurück (was sollte eigentlich der gesamte Ausflug nach Chicago). Doch wer WIRKLICH gute Musik in einem sensationell akkuraten Film über die Greenwich-Village-Folk-Szene der 1960er Jahre sehen will und dabei auch noch den typischen Coen-Humor obenauf, der ist hier genau richtig.

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