Mittwoch, 1. April 2015

Gegen die Wand




Fatih Akin, GER 2004 - 9.75/10

Ich habe den Film schon häufig erwähnt, jetzt sehe ich es an der Zeit, einen eigenen Post diesem Film zu widmen, dem wichtigsten Deutschen Film der Dekade. Akin erzählt eine epische Geschichte über die Liebe und wie sie Menschen zerstören kann. Dabei eingestreut sind ebenso die Themen "Selbstmord", "Leben als Mensch mit Migrationshintergrund in Deutschland" und "Entscheidungen". Ihr merkt, dies ist ein schwerer Brocken von einem Film, den man auf keinen Fall im Hintergrund laufen lassen kann. Nimmt man sich aber die Geduld, dann erlebt man einen deutschen Film, wie ich ihn mir vorher nie hätte vorstellen können: Solch eine Intensität habe ich selten bei einem Film im allgemeinen gesehen. Der Film nimmt einen brutalen Schnitt zur Hälfte, der das komplette Leben aus der Handlung saugt, eine Stimmung entwickelt, die total hypnotisiert und man seine Augen nicht mehr vom Bildschirm ziehen kann. Wer da nicht in seinem innersten wachgerüttelt wird, der hat nie gefühlt, geschweige denn gefühlt.

Diejenigen, die jetzt immer noch nichts mit diesem Werk anfangen können, dem sei ein weiterer Grund genannt: Die weibliche Hauptrolle wird von Sibel Kekilli verkörpert, den der Großteil aus der Serie "Game of Thrones" kennen sollte, oder auch als Komissarin des Kieler Tatorts.

Sibel (so auch der Name der Figur im Film) trifft in einem Hamburger Krankenhaus auf Cahit (Birol Ünel), der mit seinem Wagen alkoholisiert gegen die titelgebende Wand gefahren ist. Sibel hat ebenso einen Selbstmorversuch hinter sich. Beide sind mit ihrem Leben unzufrieden. Sibel rebelliert gegen das traditionelle Leben ihrer türkischen Eltern, sie will frei leben. Cahit ist im Grunde ein großer Verlierer, der saufend durch Hamburg zieht und nichts hinbekommt. Diese beiden verlorenen Seelen treffen jetzt aufeinander und die muntere Sibel hat einen für sie sensationellen Plan: Die beiden heiraten, damit ihre Eltern besänftigt sind und sie dann frei leben kann. Cahit stimmt dem Plan zu und die beiden heiraten. In einer wunderbaren Montage sieht der Zuschauer, wie die beiden ihren Hochzeitstag verbringen: Getrennt voneinander mit einem jeweils anderen Partner im Bett. Über die kommenden Wochen allerdings - Sibel zieht in Cahits vergammelte Bude, die sie auf Vordermann bringt - entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden, die allerdings je zunichte gemacht wird.

Mehr will ich nicht über die Handlung schreiben, was dann aber passiert, gehört zu den mitreißendsten Szenen der letzten zwanzig Jahre. Beide durchleben unglaublich intensive Momente, die schwer für den Zuschauer mit anzusehen sind. Es sind Bilder, die man nie vergessen wird, was sowohl an der Leistung Akins liegt, der eine unerträgliche Bandbreite an Gefühlen zu vermitteln weiß, als auch vor allen an den schauspielerischen Leistungen von Kekilli (in ihrerer ersten großen Rolle) und Ünel, die genauso wie der Film, mit Preisen überhäuft wurden - der Film wurde mit dem goldenen Bären des Berliner Filmfestivals ausgezeichnet.

Dies ist ein harter Film, der garantiert nicht vielen Leuten gefallen wird, wer sich allerdings auf ihn einlässt, der wird umso mehr belohnt mit einem Meisterwerk, dass den Zuschauer durch die Tiefen der menschlichen Emotionalität schleift, ihn dabei zerstört, doch letztlich wieder aufbaut. Ein sensationeller, bemerkenswerter Film.

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