Dan Gilroy, USA 2014 - 8.75/10
Lou Bloom ist kein normaler Mensch. Hier in meinem geliebten Ruhrpott würde man sagen "er hat nix auffe Kette gekriegt", also jemand, der im Leben keine Richtung hat und auch illegale Wege nutzt, um an Geld zu gelangen. Im Verlauf des Films entdeckt er allerdings eine Marktlücke, bei der er moralische Grenzgebiete betritt und diese auch überschreitet. Dan Gilroy ist ein erstaunliches Werk über einen manischen Menschen gelungen, der im Grunde voll in seiner Arbeit aufgeht, diese letztlich perfekt beherrscht, aber bei dessen Ausübung keinerlei Kompromisse macht und Grenzen kennt. Dies ist kein kleiner Film, den man im Hintergrund beim gemütlichen Abendessen laufen lassen kann, sondern er verlangt es, sich komplett auf ihn einzulassen.
Ein faszinierendes, für den Großteil der Zuschauer unbekanntes Bild von Los Angeles wird hier gezeigt. Bloom (ein großartiger Jake Gyllenhaal) fährt nach einer erneuten Job-Absage enttäuscht nach Hause über den Highway. Dort erlebt er einen schweren Autounfall, er trifft nahezu gleichzeitig mit der Polizei ein, die schnell die Person versucht aus dem brennenden Wagen zu ziehen. Von hinten kommt ein Mann mit Kamera angerannt, der voll auf den Unfall hält. Lou ist fasziniert von dessen Arbeit, erkundigt sich, was er dafür bräuchte und ist am nächsten Tag selbst mit der Kamera unterwegs.
Der Beginn des Films ist rasant und unterhaltsam, Gilroy versteht es, eine ganz eigene Atmosphäre zu entwickeln, die sich immer auf dem Grad zwischen legal und illegal bewegt. Diese Facette wird im Verlauf des Films immer weiter getrieben, ich würde sogar behaupten bis zur Spitze geführt, denn die moralischen Entscheidungen, die Lou trifft, sind nicht nur durchweg fragwürdig, sondern stehen über den Vorstellungen, die jede Gesellschaft von sich aus behauptet zu besitzen.
Zwei Personen treten im Verlauf der Handlung in Lous Leben, die einen Einfluss auf die Entscheidungen haben werden, die Lou zum Ausführen seines Berufs treffen muss: Zum einen ist es sein Assistent Rick (Riz Ahmed), der immer wieder die unmoralischen Handlungen aufzeigt und auf der anderen Seite ist es die TV-Produzentin Nina (Rene Russo), die genau das Gegenteil macht. Lous Bilder bringen so hohe Einschaltquoten, dass er immer mehr besorgen soll. Eine für den Zuschauer schwere Konfliktsituation, Lou allerdings entscheidet sich schnell für eine Seite...
Mehr werde ich nicht verraten. "Nightcrawler" ist ein sehr spezieller Film, der von seinem gewollt unsympathischen Antihelden lebt. Es befindet sich so gut wie keinerlei Entspannung, nachdem Lous Geschäftsmodell einmal komplett den Betrieb aufgenommen hat. Ein unglaublicher Spannungsbogen wird aufgebaut, vor allem in den letzten etwa zwanzig Minuten des Films. Allerdings hat dieser Umstand, dass es ein fast nihilistischer Film, ohne Identifikation, ist, zur Folge, dass er einen mit einem enorm schlechten Gefühl zurücklässt. Darauf muss man sich vorher im klaren sein. Will man sich jedoch herausfordern lassen und eine komplett neue Perspektive auf die Moral des Menschen gewinnen und diese dann hinterfragen, der ist hier genau richtig. Gyllenhaals sensationelle Performance tut ihr übriges, für die Rolle hat er zwanzig Kilogramm abgenommen und versucht so wenig wie möglich zu blinzeln, was ihn noch eine ganze Spur charismatischer und gleichzeitig gruseliger erscheinen lässt.
Ein starkes Regiedebut von Dan Gilroy, das herausfordert, von seiner unfassbaren Spannung lebt, aber ebenso keinerlei Sympathieträger bereithält.
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