More has been learned about the treatment of the human body in the last five years than is learned in the previous five hundred
Steven Soderbergh, USA 2014 - 9.75/10 (10 Episoden)
Nein, nicht "The Knicks", so wie das New Yorker Basketballteam aus der NBA. Die haben leider nichts mit dieser Serie zu tun, sie wurde erst 1946 gegründet. Wir befinden uns am Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, 1900, in einem New Yorker Krankenhaus, in dem ein extrem engagierter Arzt und Chirurg mit Hilfe seiner Kollegen einige revolutionäre Methoden anwenden. Er ist dabei auch noch äußerst extravagant, paranoid, versessen und drogensüchtig. I mean, what's not to like?
Dieser Arzt ist John Thackery (Clive Owen, der jeden Preis für diese Rolle gewinnen sollte), der in der ersten Folge seinem Mentor Christiansen (Matt Frewer) im Zirkus assistiert. Der Zirkus ist der Operationssaal des Knick, einem der wichtigsten Krankenhäuser von New York City. Als bei einem Kaiserschnitt Mutter und Kind sterben, gibt sich Christensen die Schuld und begeht Selbstmord.
Alle sind geschockt und Thack übernimmt als leitender Chirurg. Als seinen Assistenten hat er den enthusiastischen Everett Gallinger (Eric Johnson) auserkoren, doch er wird vom Aufsichtsrat überstimmt. Denn dieser hat einen interessanten Kandidaten im Visier: Dr. Algeron Edwards (André Holland mit einer sensationellen Performance), einen schwarzen Arzt, der einiges an Ruhm in Paris und London gesammelt hat, bevor er wieder nach New York zurückgekehrt ist. Da zu dieser Zeit New York voller Rassisten war (so hat es zumindest den Anschein), hat der gefeierte Doktor absolut keinen guten Start und wird von allen gemieden; es kommt auch zum erwarteten Konflikt zwischen ihm und Gallinger, aber auch Thack lässt ihn links liegen. Erst eine erstaunliche Entdeckung macht ihn in seinen Augen interessant und scheint sich unentbehrlich zu machen, während Edwards selbst etwas gegen die Missstände für Schwarze in NYC machen will...
All dies geschieht in dieser so facettenreichen Serie und dabei bin ich jetzt nur auf einen einzigen Charakter näher eingegangen, ich habe noch nicht einmal Berty, Schwester Elkins, den schmierigen Finanzchef Barrow, den noch schmierigeren Gesundheitsinspektor Speight, die Tochter des Leiters Cornelia, oder auch den Krankenwagenfahrer und "Hagrid-Ersatz" Tom Cleary, der mit Schwester Harriet ein sensationelles Gespann bildet, erwähnt. Ihr merkt, die Serie platzt nur so vor lauter interessanter Charaktere und Soderbergh und die Schreiber Jack Amiel und Michael Begler verstehen es, jeder einzelnen Figur sehr viel Platz zur Entfaltung einzuräumen, keiner wird unter den Tisch gekehrt. Dabei ist es vor allem das Setting, das diese Serie so besonders macht und sie um so sehenswerter macht, als jegliche Krankenhausserie, die zu jetziger Zeit spielt.
Die Ausstattung und Wahl der Kostüme ist phänomenal, der gesamte Stil zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts bietet sehr viel für's Auge, das sich so an Arztkleidung wie in "ER" oder "Scrubs" gewöhnt hat. Allein Thack mit seinem sexy Schnurrbart und den spektakulären weißen Lackschuhen ist schon der Eintritt wert. Die Damen der Serie tragen voluminöse Kleider der alten Schule (vor allem Cornelia) und auch die Patienten sind in passende Outfits gekleidet. Die Gebäude sehen wirklich so aus, wie man sie sich aus alten Bildern und ersten Aufnahmen vorstellt: Weite Gänge, ein Raum voller weißer Betten mit vielleicht dreißig Patienten in einem Raum und eben der von mir bereits beschriebene Zirkus, in dem die Chirurgen ihre Wundertaten vollbrachten.
Es ist immer wieder überraschend, was für Dinge, die im Jahre 2014 so selbstverständlich erscheinen in den einzelnen Folgen als sensationelle Neuerung präsentiert werden. Sei es nur ein kleines Gerät, das Blut der Patienten aus den Wunden absaugt, oder ein so genannter, voll moderner Röntgen-Apparat (der sich bestimmt nicht durchsetzen wird). Auch die Gesellschaft der damaligen Zeit wird ins Rampenlicht gerückt: Sei es der Fremdenhass, der, in einer der eindrücklichsten TV-Episoden der letzten Zeit, in einem riesigen Mob endet, welcher kurzerhand die halbe Stadt in Schutt und Asche legt. Auf der anderen Seite wird die Beziehung der Charaktere zueinander selbstverständlich thematisiert und hier muss ich ganz klar sagen, dass es keine einzige langweilige Figur gab, so gut wie in jeder Szene saß ich wie gebannt vor dem Bildschirm.
Das größte Lob gebührt aber Steven Soderbergh, der ja eigentlich schon seinen Abschied von der Leinwand verkündet hat und nun auf dem heimischen Apparat zu sehen ist. Er hat es geschafft, ein abgedroschenes Thema extrem faszinierend erscheinen zu lassen, was ich ihm nicht zugetraut hätte. Manche Tropen hat man zwar schon zur Genüge gesehen (wie der Fremdenhass, oder überarbeitete Doktoren), aber auch diese Themen hat er gekonnt in die große Handlung eingebaut. Manche Episoden werden leider nur angerissen und nicht weiter ausgebaut (Berty kommt etwas zu kurz), aber eine zweite Staffel ist bereits geplant. Manche Konflikte wurden meiner Meinung nach zu lange hinausgezögert zu Beginn der Staffel, wie Dr. Edwards' Keller, da hätte schneller gehandelt werden können und der Handlungsstrang mit der kranken Molly Malone war zu schnell zu eintönig.
Vor allem muss ich noch die Kamerarbeit erwähnen. Solch besonderen Aufnahmen habe ich noch nie in einer TV-Serie gesehen. Anstelle, dass gewohnt auf die sprechenden Personen in einer Szene fokussiert wird, sucht Soderbergh das Besondere im Beliebigen. So bleibt eine gewisse Spannung auch in scheinbar gewohnten Szenen. Für die Musik zeichnet sich Cliff Martinez verantwortlich, der schon Nicholas Winding Refn's Knaller "Drive" besonders machte. Sein elektronischer Score ist verhalten (gewählt unpassend zu 1900, dadurch aber so viel interessanter) und doch setzt er an entscheidenden Szenen gekonnt ein und transportiert den Zuschauer zur nächsten Szene, oder aber wird über das Geschehen gelegt, wie im Falle von Gallingers Frau in der vorletzten Folge.
Diese vorletzte Folge - HBO Fans wissen es, da werden die größten Probleme aufgezeigt, die in der letzten Folge gelöst werden - ist unfassbar gut gelungen. Solch einen Trip habe ich selten im Fernsehen gesehen, man sitzt am Ende schockiert vor dem Bildschirm und muss erst einmal alles verarbeiten (die letzte Folge löst diese Anspannung). Selbst scheinbar kleinste Figuren werden hier vor großen Entscheidungen gestellt, oder auch mit Problemen konfrontiert.
Ich konnte so gut wie kein einziges Problem an dieser Serie sehen, Clive Owen (den ihr alle kennen solltet, vor allem dank meines ständigen Lobes für "Children of Men") spielt überragend, er sollte den Golden Globe und Emmy nächstes Jahr gewinnen. Genauso wie Soderbergh, der einem totgeglaubtem Genre neues Leben einhaucht, dabei aber über hundert Jahre zurückreist, es aber so atemberaubend inszeniert, dass alle aktuellen Serien in heutiger Zeit einpacken können.
VOLLSTE EMPFEHLUNG und als Bonus: Die erste Staffel endet mit einem echten Knaller, seid gespannt!!
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