Oscars 2013 - ARGO tell it to the mountains
ARGO (Ben Affleck) 8.75/10
Welch eine Überraschung. Von diesem Film hatte ich gar nichts erwartet, klang er doch so unrealistisch und vor allem die Message "Mit der Macht des Films kann man alle Hindernisse überwinden" ging mir auf die Nerven. Doch lässt man sich darauf ein, wird man mit einem unfassbar spannenden Film belohnt, der einen auch geschickt in die 70er Jahre zurückversetzt. Allein die Kostüme (warum wurden sie NICHT für den Oscar nominiert??? unglaublich, die Academy liebt "alte" Sachen, aus dem Mittelalter oder Barock bevorzugt, eine Schande), Frisuren und Requisiten sind es wert gesehen zu werden und auch die Schauspieler sind alle ganz ausgezeichnet. Nur typisch, dass man um eine Szene, in der Affleck mit freiem Oberkörper zu sehen ist, nicht drumherum kommt. Insgesamt ist sein Charakter des Tony Mendez zu wenig ausgebaut, oder er bringt es einfach nicht fertig, irgendwelche Muskeln in seinem Gesicht zu nutzen, so grimmig schaut er die ganze Zeit von sich hin. Aber das ist Meckern auf hohem Niveau, denn ansonsten ist der Film absolut sehenswert. Bonus: Die Veteranen John Goodman und Alan Arkin lockern den Film sehr auf, wenn es mal zu ernst wird, was natürlich zum Vergnügen beiträgt.
Beasts Of The Southern Wild (Benh Zeitlin) 9.25/10
Ein Wort: WOW. Dieser Film hat mich echt beeindruckt, weil er einer der wenigen ist, der es schafft ganz anders als alle Filme zuvor zu sein. Es ist einfach die Art und Weise in der mit wenig Mitteln so viel Atmosphäre geschaffen wurde, die um einiges intensiver ausfällt als bei manchen Science-Fiction Filme mit enormen Budget. Denn hier sind die Kulissen echt und nicht am Computer entstanden, man erkennt jedes einzelne im Wasser des Mississippi-Deltas daher schwimmende Brett und keine Pseudo-realistische 3D-Animation. Das macht auch den Charme aus, hier wurde enorm gute Vorarbeit geleistet und deshalb eine funktionierende Welt erschaffen, die es vielleicht nach den Folgen des Hurricane Katrina in New Orleans und Umgebung so hätte existieren können. Die erst neunjährige Quvenzhané Wallis in der Hauptrolle als mutige Hushpuppy spielt mit so viel Power, dass es eine Freude ist und auch Dwight Henry, als ihr ums Überleben kämpfende Vater, spielt seine Rolle perfekt. Wer also einen Film sehen möchte, der in gewisser Weise total anders ist, als alle, die ihr vorher gesehen habt, ist hier genau richtig.
Django Unchained (Quentin Tarantino) 8.5/10
Natürlich mag ich die Filme von Tarantino, weil sie meistens ein enormes Tempo haben, extrem witzige Dialoge und meistens einen Charakter besitzen, der einfach so einmalig ist, dass er in der Popkultur weiterlebt, ohne an den Film gebunden zu sein - wie Samuel L. Jackson's Jules aus Pulp Fiction, oder Uma Thurman's Braut aus Kill Bill. Ebenso gelingt dies Christoph Waltz im Vorgängerfilm Inglourious Basterds als Obernazi Hans Landa. Er trägt auch diesen Film als Dr. King Schultz (welch ein Name!), der hauptberufliche Zahnarzt aus Düsseldorf und nebenbei Kopfgeldjäger zur Zeit der Sklaverei in den Südstaaten Amerikas. Unterstützt wird er von der eigentlichen Hauptfigur Django, einem befreiten Sklaven, der auf Rachetour im großen Stil unterwegs ist und dabei auf allerhand interessante Nebenfiguren stößt, allen voran Leo DiCaprio als meisterhaft schmierig-fiesen Candy. Alle Figuren machen den Film sehr sehenswert, doch ist er zu ausgefranst, eine stringentere Handlung hätte hier Wunder bewirkt. So sind die Dialoge zwar weiterhin unfassbar cool, aber auch viel zu lang an manchen Stellen - Gespräch zwischen Doc und Django über Brunhilde, come on - und manche Stellen waren dermaßen überflüssig, wie das zu brutale Wrestling-Match. Der Doc ist natürlich eine super Figur, doch Landa viel zu ähnlich, den Oscar hätte es nicht dafür bedurft. Aber egal, wer einen coolen Actionfilm sucht, ist hier richtig, vor allem weil wirklich alle Wünsche des Publikums am Ende erfüllt werden, aber was das zu bedeuten hat, das müsst ihr schon selbst herausfinden.
Silver Linings Playbook (David O. Russel) 9/10
Hier haben wir es einmal mehr mit dem "Good-Will-Hunting-Phänomen" zu tun, bei dem ich einen Film verdammt gut finde, obwohl er eigentlich gar nicht so gut sein kann auf dem Papier. Die Story hat man schon 1000 mal gehört: Mann verliert (zwangsweise) seine Frau, will sie wieder für sich gewinnen und erhält dabei Unterstützung von einer mysteriösen jungen Dame. Was den Film so toll macht ist zum einen das weltklasse Drehbuch, das einfach unglaublich gute Dialoge produziert und verrückte Situationen in sich trägt, die der Regisseur in sehr gute Szenen gepackt hat. Die beiden Co-Stars spielen ihre Rollen perfekt, allen voran Jennifer Lawrence, die als Tiffany zurecht den Oscar gewonnen hat und sogar Bradley "Hangover" Cooper hat sich mit seiner Rolle als Pat in Hollywood als ernster Schauspieler etabliert - hätte einer vor einem Jahr gesagt, dass ich einmal so einen Satz sagen sollte, ich hätte sie für verrückt erklärt, hier finde ich sogar die Tanzszenen gut, man glaubt es kaum.
Zero Dark Thirty (Kathryn Bigelow) 9.5/10
Ich dachte, man könnte keinen Film über die Liquidierung Osama bin Ladens machen. In der heutigen Zeit scheinen alle Interessierte durch social media in Besitz von jeglicher Information zu sein, die es über jedes Thema zu holen gibt. So dachte ich, dass diese Geschichte ein alter Hut ist, da war halt eine US-Einsatztruppe, die ein Loch im Boden fand und dann ihren Auftrag ausführte. Doch wie es dazu kam, das wird hier atemberaubend dargestellt und auch den Einsatz zum Schluss ist mit das spannendsten was ich in den letzten 20 Jahren gesehen habe, das meine ich ernst. Als ich das mit einem Freund zusammen sah, waren wir die ganze Zeit sprachlos und auch die Szenen die danach folgten hatten so einen heftigen Einschlag hinterlassen, dass keine Worte nötig waren, die Bilder haben einfach nur gewirkt. Die Drehorte wirken so realistisch, es ist unglaublich, man hat sie alle schon abgewandelt, in den Nachrichten gesehen. Jessica Chastain als knallharte Agentin spielt diese Rolle so charismatisch, bedenkt man auch, dass sie eine der wenigen Frauen ist, die an dem Einsatz teilnimmt. Ich möchte noch einmal betonen: Manche möchtegern-Militärfilme können dermaßen einstecken, allein schon wegen der bereits erwähnten letzten Szene. Kein leichter Film, das habt ihr ja schon gemerkt und einige Szenen sind fast unerträglich mit anzusehen, aber ein wichtiger Film, der sich wirklich lohnt.
Nicht gesehen bislang: Les Misérables (Tom Hooper), Lincoln (Steven Spielberg) Life Of Pi (Ang Lee) und Liebe (Amour, Michael Haneke)
Besserer Gewinner: Zero Dark Thirty
Mein persönlicher Gewinner: Moonrise Kingdom
Top 3 der übrigen Filme des Jahres:
1. Moonrise Kingdom (Wes Anderson) 9.75/10
Einer meiner Favoriten der letzten Jahre. Ich mag einfach alles an diesem Film. Einer der, wenn nicht sogar der beste Film Wes Andersons. Die Story ist relativ schnell erklärt: Zwei Kinder, Junge und Mädchen sind Außenseiter und reißen zusammen aus. Die Handlung findet auf einer fiktiven Insel in Neuengland der 1960er Jahre statt. Alles an dem Film ist wahnsinnig gut gemacht. Das Setting, bei dem man sich wie in einer Märchenwelt versetzt, das Outfit und die Requisiten, das sich nach Vergangenheit anfühlt und nicht zuletzt alle Figuren, die dermaßen sympathisch rüberkommen, dass man sich auch sehr gut eine Fernsehserie mit ihnen hätte vorstellen können, kommen sie sogar etwas kurz, allen voran Bill "Fucking" Murray als tragischer Vater (bei der Szene mit der Axt habe ich das ganze Kino mit meinem lauten Lachen erfreut). Wie bei jedem Film von Anderson wachsen einem die Figuren ans Herz, daran hat das Drehbuch auch einen gehörigen Anteil und es wurde auch völlig zurecht für den Oscar nominiert (leider die einzige Nominierung). Wer immer noch nicht überzeugt ist: Der beste Film, den ich jemals über das Heranwachsen gesehen habe. Ein verfilmter Bildungsroman und man kann ihn sich zwanzig mal ansehen und immer etwas neues entdecken, allein die Szenen im Pfadfindercamp, ein Traum.
2. Holy Motors (Leos Carax) 9.25/10
Ich warne euch direkt vorher, dieser Film wird nur etwa 10% gefallen, er ist sehr speziell. Ich will auch gar nicht weiter ins Detail gehen, außer, dass wir Monsieur Oscar einen Tag bei seiner Arbeit begleiten, fahrend durch Paris. Was dann jedoch geschieht ist so verrückt, dass ich es gar nicht in Worte fassen kann. Wer von Filmen in letzter Zeit enttäuscht war und immer dachte, dass er die Handlung oder Szene bereits vorher schon einmal gesehen habe, seid versichert, hier habt ihr es mit etwas komplett neuem zu tun. Dass Denis Levant NICHT für die beste Hauptrolle nominiert wurde ist nicht zu akzeptieren, meiner Meinung nach hat in diesem Jahr keiner besser gespielt (Day-Lewis in Lincoln muss ich mir noch ansehen). Doch ist der Film ein französischer Independent-Film, eine Nominierung wäre da zu viel erwartet gewesen, so hat er aber enorm viele Kritikerpreise eingeheimst, was ich nur begrüßen kann.
3. Looper (Rian Johnson) 8.75/10
Welch ein cooles Szenario bei diesem Film entwickelt wurde. Als Buch hätte es meiner Meinung nach aber besser funktioniert, denn es gab viele Momente, bei denen ich einfach nur dachte: HÄÄÄÄ???, so verworren waren manche Übergänge. Doch nach mehrmaligem Sehen blickt man endlich durch und dann entfaltet sich einer der faszinierendsten Science-Fiction Filme der vergangenen Jahre. Joseph Gordon-Levitt untermauert hier seine Stellung als einer der besten Charakterdarsteller Hollywoods und auch Bruce Willis (dessen Rolle in Moonrise schon eine der besten war) ist hier endlich in einer ihm angemessenen Darstellung zu sehen, die etwas mehr emotionale Arbeit verlangt, als er es gewohnt ist (siehe RED oder Stirb Langsam). Das Problem ist einfach, dass er zu viel Handlung in zu kurzer Zeit dem Zuschauer übermitteln will und damit scheitert. Doch das mehrmalige Sehen wird hier echt belohnt und so macht das Ende deutlich mehr Sinn, als es zunächst den Anschein hat.
Weitere Knaller: Skyfall (Sam Mendes), Das Bourne Ultimatum (Tony Gilroy), Cloud Atlas (Tom Tykwer, Wachowskys), NICHT Dark Knight Rises (Christopher Nolan - eine meiner größten Enttäuschungen der letzten Zeit)
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